Buchcover des Titels 'Wer bist du, Tod?' von Sonja Hartwig und Nora Klein – ein fotografisch-literarisches Projekt über den Tod und das Leben

Sonja Hartwig / Nora Klein
Wer bist du, Tod?
18,5 × 24 cm
264 Seiten, 106 Abb.
Deutsch
Design: Hannah Feldmeier, Leipzig
Hardcover geprägt mit Farbschnitt
ISBN 978-3-96070-124-8
34,- Euro
Erschienen bei Hartmann books

Buch

Um dem Tod nahe zu kommen, erzählen die Autorin Sonja Hartwig und die Fotografin Nora Klein in ihrem Text-Bild-Band „Wer bist du, Tod?“ die Geschichten von Leben. Acht Menschen, die wussten, dass sie nicht mehr lange leben, wurden intensiv in ihrer letzten Zeit begleitet. Auf die Frage nach dem Tod geben sie individuelle, intime Antworten – ein Kanon, der schonungslos ist, schmerzvoll, zart, tiefgründig und lebensverändernd.

Das Buch erscheint Anfang Mai 2025 bei Hartmann Books und wird bei öffentlichen Veranstaltungen sowie bei Lesungen mit Bilderpräsentation vorgestellt.

Auszug:

Monologe über das bewusste Leben angesichts der Unaufhaltsamkeit des Todes
Es spricht: Karoline

5. Juli

Mein Freund und ich trafen uns mit einem Förster, der hatte einen kleinen Dackel, Waldi. Zu viert sind wir durch den Wald gelaufen, und er erklärte, dass es Bäume für Familien gibt und Bäume, die sich mehrere Fremde teilen. Bei denen bekommst du nur einen Namen auf einer Plakette. Ich sagte: Ja, das wäre dann das, was ich nehmen würde, einfach meinen Namen auf einer Plakette. Und mein Freund: Nein, wir nehmen einen Familienbaum. Ich schaute ihn ungläubig an. So ein Baum für sich alleine ist teuer, aber er sagte das sehr überzeugt, und so führten uns der Förster und Waldi zu den Familienbäumen und wir kauften uns für einige Tausend Euro zusammen einen Baum im Friedwald, zwei Plätze inklusive.

Diesen Platz unter einem Baum zu haben, gibt mir ein tröstliches Gefühl. Ich werde nicht ganz weg sein; werde auf andere Weise wieder mit allem verbunden, bin noch Teil des Ganzen. … Diese Vorstellung habe ich vom Tod: dass sich alles austauscht und neu wieder zusammensetzt.

Bald nach unserem Besuch im Friedwald waren mein Freund und ich zusammen beim Bestattungsunternehmen. Dort saßen wir einer sehr lieben Frau gegenüber, sprachen über Einäscherungen und Urnen, über eine ganz neue Kohleurne, die sich noch schneller abbaut, perfekt für den Platz an unserem Baum. Manchmal musste ich rauszoomen und mir selbst sagen: Es geht ja um mich! Es geht um meine Einäscherung! Um meine Urne! …

Ich bin oft zwei Personen: Eine, die über den Tod spricht, und eine, die das alles nur beobachtet. Ich glaube, mein Gehirn abstrahiert, um mich zu schützen, denn wenn ich das nicht tun würde, würde ich durchdrehen. Nur noch heulen, hyperventilieren: Schrecklich, ich bin doch erst 37!

Als ich meine Ärztin fragte, wie viel Zeit mir bleibt, sagte ich ihr, wann das Haus fertig sein soll, das wir derzeit mit Freunden renovieren. Sie schaute nach unten und schüttelte den Kopf. Nein, die Fertigstellung würde ich nicht erleben. Ich antwortete: Wie gut, dass ich noch ein Buch schreibe. Dann habe ich zumindest ein Projekt, das ich fertig bekomme. Daran halte ich mich fest, denn ich kann nicht nur ein schwarzes Loch vor mir sehen. Ich gehe auf das, was kommt, zu und denke: Hey, da gibt’s dann diese fesche Kohleurne. … Vielleicht muss ich mir das alles auch schönreden, weil ich nicht planen kann, was in zehn Jahren ist. … Dadurch, dass mir der Tod so bewusst ist, habe ich eine ganz andere Wertschätzung für das Leben.